Das Büro ist verwaist, die Kantine leer – viele Unternehmen sind in den vergangenen Tagen plötzlich und gezwungenermaßen zur verteilten Organisation geworden. Die Mitarbeiter sitzen im HomeOffice und betreuen ihre Kinder, die Zusammenarbeit läuft digital und virtuell. Und es funktioniert (irgendwie). Hätten Sie sich vor 4 Wochen vorstellen können, dass das so funktioniert? Was lernen wir daraus für die Zukunft? Und wie lassen sich die neuen Möglichkeiten für die Zeit nach der Krise sichern?
Plötzlich „New Work“
Am Thema „New Work“ kam man als Unternehmen in den letzten Jahren kaum vorbei. Unternehmen, die sich dem Thema aktiv zuwendeten, haben viel Zeit mit IT- und Beratungsprojekten verbracht, Vor- und Nachteile abgewogen, Pilot-Tests gemacht und ausgewertet, um dann zumeist zaghafte erste Schritte zu gehen.
Dann kam der März 2020, die Corona-Krise und die allseits bekannten Einschränkungen. Plötzlich musste sofort möglich gemacht werden, dass die Mitarbeiter von zu Hause arbeiten und sich virtuell austauschen und organisieren.
Dieses gezwungen Spontane hat einen großen Vorteil: es gibt keine Zeit für skeptische Diskussionen. Alle Beteiligten, ob Chef, Teamleiter oder Mitarbeiter richten ihren Fokus auf das Gelingen. Niemand weiß „wie es richtig geht“, die Teams probieren einfach aus, was geht und wie es am besten funktioniert – ein positiver Prozess der kontinuierlichen Verbesserung. Ein Change Manager im normalen Alltagsgeschäft hätte lange gebraucht, um diesen so zu implementieren.
So erkennen und stärken Sie die neuen Potentiale
Die spontane Umstellung auf verteiltes Arbeiten kann einige Veränderungen zu Tage fördern, z.B.:
- Mitarbeiter zeigen bislang verborgene Fähigkeiten
- Die Selbstorganisation des Einzelnen und der Teams wird gestärkt
- Führungskräfte passen ihren Führungsstil an und setzen stärker auf Vertrauen (da physische „Kontrolle“ erschwert ist)
- Die zuverlässige Erledigung von Aufgaben unabhängig vom Zeitpunkt bekommt einen höheren Stellenwert als die Anwesenheit
- Prozesse werden spontan digitalisiert, da kein physischer Austausch von Papier möglich ist
Die Situation eröffnet Chancen für positive Veränderungen, von denen Ihr Unternehmen auch nach der Krise erheblich profitieren kann. Dafür müssen Sie aktiv der Gefahr begegnen, nach der Krise in den „Haben wir immer so gemacht“-Modus zurückzufallen.
Doch wie können Sie das tun? Mein Tipp: die Veränderungen explizit sichtbar machen! Fördern Sie in der jetzigen Phase aktiv zu Tage, was Sie und Ihre Kollegen bereits gelernt haben und was noch zu verbessern ist. Teilen und diskutieren Sie die Ergebnisse mit Ihrem Team, Kollegen und der Geschäftsführung. Schauen sie aktiv hin und machen Sie die Potentiale explizit – denn alles, über das sie gesprochen und sich bewusst gemacht haben, hat eine große Chance, nachhaltig verankert zu werden.
Die agile Retrospektive als einfaches Werkzeug
In der Agilität ist das Format der „Retrospektive“ ein fester Bestandteil, um kontinuierliche Verbesserungen zu erreichen. Retrospektiven dienen dazu, sich zu verdeutlichen, was gut läuft, was besser geworden ist und wo es nicht gut läuft. Das Format kann sehr ausführlich sein, aber auch sehr kompakt ausgeführt werden.
In Umfeldern, in denen das Format noch nicht geübt ist, empfehle ich eine ganz einfache Variante. Rufen Sie Ihr Team zusammen und beantworten sie gemeinsam diese Fragen mit Blick auf die Zeit vor der Krise:
- Was läuft heute schon besser als früher? Wo sind wir besser geworden?
- Was funktioniert noch nicht so gut?
- Was können wir JETZT tun, damit es besser läuft?
Bitten sie jeden Teilnehmer, seine Punkte dazu vorzutragen und schreiben Sie die Punkte in einem Dokument oder einer Wiki-Seite nieder. Sprechen Sie im Team darüber, vergeben Sie Aufgaben zu den Punkten, in denen sie sich verbessern wollen. Und setzen Sie eine nächste Retrospektive in zwei bis vier Wochen an.
Sind Sie eine Führungskraft, ist für Sie sicher auch interessant zu beleuchten, wie sich ihr Führungsstil unter den aktuellen Gegebenheiten verändert hat. Machen Sie sich auch dies bewusst und schreiben es für sich auf. Laden Sie Ihre Team-Mitglieder zu persönlichen 1:1-Sessions ein, in denen es nur um das Menschliche geht. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, wie es ihnen persönlich in der neuen Situation geht und fragen Sie aktiv nach Feedback.
Fazit
Die aktuelle Krisen-Phase bringt viel Ungewissheit mit sich. Sie lässt uns keine Zeit für langes Abwägen. „Einfach mal machen“ ist ein Gebot der Stunde und eröffnet Potentiale für Verbesserungen für die Zeit nach der Krise. Es ist an Ihnen, diese Chancen zu sichern, indem Sie sich diese Punkte bewusst und sichtbar machen. Retrospektiven sind ein einfaches und wirksames Werkzeug dafür. Machen Sie „einfach mal ne Retro“.